Nachtfahrt, Erlebnis als Gast und Beifahrer
(Erstveröffentlichung im "Roverblatt" Nr. 11/12 2005 Seiten 8-9)

Noch nie zuvor hatte ich von einer solchen Art von Nachtfahrt gehört, wie sie der Deutsche Land Rover Club e.V. (DLRC) am Samstag den 1. Oktober auf dem Gelände der Verkehrs-Versuchsanlage in Horstwalde organisiert hat. "Nachtfahrt" ist eigentlich völlig untertrieben, wenn man das Erlebte z. B. mit einer Kolonnenfahrt mit Tarnlicht in der Zeit als Wehrpflichtiger vergleicht. Was da im Wald bei Horstwalde abging, war in meiner ersten Vorstellung recht irre.

Carola Anselmann und ich trafen uns bei der Betreuung einer für Land Rover Deutschland wichtigen Fotosession am Samstagmittag. Bei der gemeinsamen Aktion berichtete Sie kurz von den berühmt-berüchtigten Nachtfahrten des DLRC. Das Vorhaben schien mir zuerst zu abgefahren, jedoch fasste ich bei der bis dahin erlebten Umsicht des ganzen Orgteams Vertrauen und meldete Interesse an.

Kurz nach 21 Uhr sammelten sich gut 60 Teilnehmerfahrzeuge am Fuß der Steigungsbahnen. Die Nacht war über uns gekommen, kein Mondschein, dafür strömender Regen. Noch schien alles normal, gelassene Geschäftigkeit, buntes "Stimmengewirr" der Motoren und Standlicht überall. Erstmalig stutzig wurde ich als Carola bemerkte "Da braucht einer technische Hilfe, weil er seine Sicherungen nicht findet." Warum sucht jemand seine Sicherungen, wenn alle Lichter an sind? Kurz darauf war ich schlauer, während das Fahrlicht abschaltbar ist, geht genau das beim Bremslicht und der Armaturenbeleuchtung gewöhnlich nicht. Bei dem was nun vor uns lag, mussten aber auch die Bremslichter dunkel bleiben.

Nach etwa 20 Minuten ging es los und der "Leithammeleffekt" schlug zu. Das Führungsfahrzeug verpasste die Einfahrt rechts in den Wald und fuhr bis zum Tor vom BAM-Tagungszentrum vor. Der übrige Blechwurm brav hinterher. Auch der einheimische Beifahrer blieb stumm, kannte ich doch die ausgewählte Strecke als solche auch nicht. Nach weiteren 15 Minuten fädelten wir uns alle in den "Bereitstellungsraum". Kurze Zeit später: Licht aus, warten, Adaption an die Dunkelheit, warten, letztes Fensterputzen mit der Küchenrolle (Carola hatte vorgesorgt), plötzlich eine Stimme links aus dem Nichts mit letzten Anweisungen und los.

Ohne große Absprache reckte ich meinen Kopf aus dem Fenster, denn die Windschutzscheibe brachte mir zuwenig Durchblick und außerdem wollte ich vor allem möglichst viel hören. Die Strecke sollte mit winzigen Glimmlichtern, befestigt an etwa 1,5 m hohen Trialstangen, links rot und rechts grün, markiert worden sein. Da - das erste grüne Licht - oh jäh, dagegen ist ein Glühwürmchen oder eine Zigarettenglut ein Leuchtturm. In der Tat, wäre nicht ohnehin totales Rauchverbot angesagt gewesen, ein Zug aus einer Zigarette im Führerhaus hätte mächtig geblendet. Carola kümmerte sich souverän um den Vortrieb und hatte beide Positionslichterreihen im Blick, während ich mich nahezu ausschließlich um die rechte Außenposition kümmerte: seitlicher Abstand, Peilung über die folgenden Grünmarken, Ohren spitzen und nach dem "Landy" voraus Ausschau halten. Kurz darauf erster Schreck, wo ist Grün? Vor lauter Sorge vor einem Auffahrunfall hatte ich kurzzeitig das Peilen außer Acht gelassen und die 90°-Kurve nach rechts nicht mitbekommen, jedoch Carola hatte aus ihrer Position heraus den Schwenk gerade noch bemerkt. Inzwischen tropften meine Haare, denn die Kapuze wollte ich wegen der Schalldämpfung nicht aufsetzen. Außerdem entleerte sich in Schräglagen zweimal die Dachplane und füllte jeweils den Halsansatz und mein linkes Ohr.

Wir fuhren mit Carolas "Lightweight", Baujahr 1979, einer Minimalvariante von Land Rover für Luftlandetruppen. An diesem Auto wurde auf allen Schnickschnack verzichtet, selbst die Türen sollen mit wenigen Handgriffen abgebaut werden können. Der Landy hat ein Planenverdeck (prima dicht übrigens), eine kleine Pritsche und war zu diesem Zeitpunkt halb offen. Die Seitenfenster waren geteilt, eine Hälfte jeweils verschiebbar. Ich steckte meinen Kopf durch die offene Scheibenhälfte und "verkeilte" ihn zwischen Stirn und den hohen Kanten der Scheiben mit der Faust. Zugegeben, ich wollte verhindern, dass meine "Omme" bei einem Schlagloch oder Aufprall gegen ein Hindernis innerhalb vom Fensterprofil noch richtig "Schwung holen" konnte und gegen die Scheibenkanten knallt. Plötzlich änderte sich voraus das Nachtschwarz unmerklich und ganz schwach kamen Konturen zum Vorschein, die nichts mit Wald zu tun haben konnten. Erstmalig sahen wir unser vorausfahrendes Team. In etwa 8 m Entfernung war irgend etwas - stopp - Adrenalin und Ohren auf wegen unserem Verfolger. Würde das Team hinter uns den Kolonnenhalt mitbekommen? Die Kontur voraus tauchte im Nichts ab, wir nahmen wieder Fahrt auf, alles war gut gegangen.

In Phasen ruhiger Geradeausfahrt wanderten meine Gedanken ab. Ich fragte mich, wie die unsichtbaren Streckenposten, welche zum Teil seit mehr als einer Stunde im Regen standen, uns wahrnehmen. Vermutlich können sie etwas mehr erahnen, von sehen kann keine Rede sein. Auf alle Fälle werden sie besser hören, weil kein eigens Fahrgeräusch die anderen Geräusche überlagert und sie werden vermutlich auch die Fahrzeugwärmen beim Vorbeischleichen spüren. Auf alle Fälle war es ein gutes Gefühl, dass an den entscheidenden Wegpunkten Profis standen. An einer 90°-Biegung narrte mich jedoch das Gefährt der Sicherungsmannschaft. Geradeaus unserer Fahrt tauchte plötzlich die scheinbar bekannte Kontur unseres Voraus auf, ich meldete Sichtkontakt ins Wageninnere. Carola stoppte, fuhr kurz darauf wieder an, bog allerdings scharf links ein. Das dunkle Etwas war das geparkte Auto des Postens.

Nach etwa einer Stunde, davon etwa 30 Minuten reine Fahrzeit, tauchte ein Stangenpaar mit zwei roten Lichtern auf und eine spannende und wirklich aufregende Tour war zu Ende. Ich wusste bis zum Sonntagmorgen nicht, wo wir waren.

K. Urban

Anmerkung: Die Fotos oben zeigen Tageslichtaufnahmen der verwendeten Glimmlichter, links der Strecke stets rot, rechts grün. Die Fotos sind anklickbar und werden danach vergrößert dargestellt.