Am 12. Dezember 2011 trafen sich unter dem Dach vom Stadtmuseum Ludwigsfelde im ehemaligen Bahnhofsgebäude dessen Chefin Frau Ines Krause sowie die Herren Dietrich Carow und Michael Primus vom Verein "Freunde der Industriegeschichte Ludwigsfelde" e.V. (FIL) zu einem ersten Gedankenaustausch zur zukünftigen Zusammenarbeit mit dem Förderverein der Verkehrs-Versuchsanlage Horstwalde e.V.. Da dieses Treffen der Grundstein für eine langfristige Zusammenarbeit mit der Stadt Ludwigsfelde werden könnte, hier ein kleines Interview für www.fkvv.de am Rande des Gesprächs.
Abb. 1: Die Erinnerungsplakette vom 1. Treffen Nutzfahrzeuge Ludwigsfelde 2011. Das aus Metallguss gefertigte Stück wurde nur an die offiziell auf der "Nennliste" geführten Fahrzeughalter ausgeben. "Nennliste" ist ein Begriff aus der Motorsport-Welt und gilt dort als Starter- oder Teilnehmerliste. Foto: D. Carow |
Frau Krause, Sie sind
Sachgebietsleiterin Museum und Tourismus der Stadt Ludwigsfelde. Weshalb liegt
Ihnen die Weiterführung des Treffens der Nutzfahrzeuge aus Ludwigsfelde ab
2013 so am Herzen?
Am 17. Juli 1965 fuhr der damalige Meister der Endmontage
Herr Eberhard Lumm den ersten IFA W50 vom Band und aus der Montagehalle. Ein Tag
später wurde der Industriegemeinde Ludwigsfelde das Stadtrecht zuerkannt.
In den folgenden Jahren bis 1990 wurden fast 600.000 Stück IFA W50 und IFA
L60 gebaut und weltweit verkauft. Mehr Identität können sich eine Stadt
und ein Industrieprodukt gegenseitig nicht geben. Das erste Treffen vom 13.-16.
Mai 2011 war ein großartiges Ereignis der ehemaligen Fahrzeugbauer gemeinsam
mit der nachfolgenden Generation am Standort, denn wir blicken inzwischen auch
schon auf 20 Jahre Mercedes-Benz Ludwigsfelde zurück. Den Bürgern der
Stadt und über einhundert stolzen Besitzern von IFA W50/L60 Liebhaberstücken
hat es großen Spaß bereitet. In vielen Gesprächen wurde mir der
Wunsch auf Weiterführung mit auf dem Weg gegeben.
Frau Krause, das erste Treffen der
Nutzfahrzeuge aus Ludwigsfelde fand auf der Festwiese am Bahnhof statt. Am gleichen
Tag haben sich Freunde des IFA Tours Forums im Industriepark getroffen.
Beide Veranstaltungen fielen auf das gleiche Wochenende.
Uns ist es aber gelungen die Freunde des IFA
Tours Forum zur Eröffnung unseres ersten Treffens der Nutzfahrzeuge durch den Bürgermeister der Stadt, Herrn Frank Gerhard im Beisein des ehemaligen
ersten Werkleiters Herrn Prof. Werner Kohl auf die Festwiese zu holen. Damit war die große "IFA Fan-Familie"
vereint und feierte und fachsimpelte bis in die späten Nachtstunden.
Abb. 2: Schatulle mit drei Metallguss-Plaketten der Stadt Ludwigsfelde vom 17. Juli 1965. Aus Anlass der Verleihung vom Stadtrecht und dem Serienstart der Produktion vom Lastkraftwagen IFA W50L wurde dieses Ehrenpräsent ausgegeben. Details und Schriftinhalte siehe im folgenden Interviewteil mit Herrn Dietrich Carow. Foto: D. Carow |
Herr Carow, die eingangs
abgebildete Teilnehmerplakette (Abb. 1) soll eine berühmte Vorgängerin
haben. Können Sie dazu etwas sagen?
Die Originalplakette zum 17. Juli
1965 war Teil eines Ehrenpräsentes und mit Vorder- und Rückseite getrennt
gegossen. Aus Anlass vom ersten Serien IFA W50 aus Ludwigsfelde waren sie zusammen
mit dem Stadtwappen in einer mit blauem Samt ausgeschlagenen Schatulle arrangiert.
Die eine zeigte einen IFA W50 L, das Datum 17. Juli 1965 und am unteren Rand den
Schriftzug "Erster Lastkraftwagen vom Band". Die zweite trug als zentralen
Blickfang die Südseite der neu erbauten Montagehalle und die Unterschrift
"VEB IWL 1.7.1965 Serienanlauf W50". Die dritte Plakette enthielt goldfarben
und erhaben aufgesetzt das Stadtwappen von Ludwigsfelde, denn der Serienstart
im VEB Industriewerke Ludwigsfelde und die Stadtgründung lagen nur einen
Tag auseinander. Hierauf eingeprägt war der Schriftzug "17. Juli 1965
Stadtrecht für Ludwigsfelde". Wir prüfen derzeit, ob wir auch zu
den Folgetreffen der Nutzfahrzeuge bei unserer neuen Plakette bleiben.
Herr
Carow, Sie waren im Automobilwerk im Service tätig. In der DDR wurden auch
an anderen Orten Nutzfahrzeuge auf Basis vom IFA W50/L60 gebaut, z.B. im VEB Spezialfahrzeugwerk Berlin
in Berlin-Adlershof, dort wo heute an der Ecke Adlergestell/Glienicker Weg ein
Baumarkt steht. Diese Produktvielfalt mit Ersatzteilen zu versorgen, war in der
DDR und heute bestimmt nicht immer leicht.
Den Käufern der IFA W50/L60
aus 53 Ländern auf vier Erdteilen wurden regelmäßig von unserem
Ersatzteilvertrieb die benötigten Ersatzteile für alle Fahrzeugvarianten
zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig wurden in den Ländern mit dem größten
Fahrzeugbestand IFA W50/IFA L60 Garantieteilläger auf Kosten des Herstellers
unterhalten, die auch vom ständig auf dem Markt befindlichen IFA-Servicepersonal
verwaltet wurden. Bis heute erfolgt die Ersatzteillieferung, auch weltweit, durch
die Ludwigsfelder Firma IFA
Service & Handelsges. mbH. Die beiden Geschäftsführer Gerald
Fritsche und Norbert Lange waren auch Schirmherren für das 1. IFA W50/L60
Nutzfahrzeugtreffen 2011 und übernahmen die Kosten für die erste Erinnerungsplakette
(Abb. 1).
Abb. 3: Horstwalde am 14. Mai 2011 - Ein Teil der Gäste vom 1. IFA W50/L60 Nutzfahrzeug -Treffen am Fuß der Steigungsbahnen. Im Vordergrund mit Brandenburg-Flagge auf dem linken Kotflügel der P 3 von Herrn Primus, welcher an diesem Tag als Führungsfahrzeug eingesetzt war. Alle Fahrzeuge auf diesem Bild haben, zumindest in Form der Prototypen, auch in Horstwalde "das Laufen gelernt". Foto: M. Primus |
Herr
Primus, Sie gehörten 2011 ebenfalls zum harten Kern des Org-Teams. Mit Ihrem
privaten Allradfahrzeug P 3 bildeten Sie zum Besuch auf der Verkehrs-Versuchsanlage
am 14. Mai 2011 in Horstwalde nicht nur das Führungsfahrzeug, Ihr Schmuckstück
ist selbst Teil der Industriegeschichte von Ludwigsfelde.
Ja, in der Zeit
von 1962 bis September 1965 wurden im VEB Industriewerke Ludwigsfelde ca. 3.050
Stück P 3 gefertigt. Der NVA-Bestand per Dezember 1967 betrug 3.440 P 3.
Ich habe schon 1964 als Soldat, mit einem P 3 oder EMW 340-2, einen Kommandeur
gefahren. Damals war ich begeistert von der Geländegängigkeit und habe
dem Vorgänger P2M und dem russischen GAS 69 den Rang abgefahren! Meinen jetzigen
P 3 habe ich als Maschinist der FFW-Rehbrücke bis zu seiner Außerdienststellung
1997 gefahren. Nach der Wende musste es dort ja ein "Westwagen" sein.
Dumm geguckt hat die Mannschaft beim Waldbrand, wenn ich mit dem nur über
die Hinterachse angetriebenen Fahrzeug am Waldrand austeigen ließ und sie
zum Feuer laufen mussten. Mit dem P 3 hatte ich sie sonst bis ans Feuer gebracht.
So konnte ich den ausgemusterten, noch roten Wagen günstig erwerben und vor
dem Verschrotten retten.
Ihre
Brötchen verdienten Sie nach dem Grundwehrdienst auch im VEB IFA Automobilwerk
Ludwigsfelde und sind ebenfalls fest mit der Geburt und dem Ende der Ära
IFA W50 / IFA L60 verbunden. Was haben Sie früher gemacht?
Unsere
Fahrzeuge wurden ja weltweit verkauft. Deshalb galt es auch die örtlichen
Einsatzbedingungen unter den jeweiligen klimatischen Verhältnisse zu testen
und der Kundschaft die Fahrzeuge vorzuführen. Meine Tätigkeit als Schulungsleiter
im Kundendienst war mit Reisen in fast alle Exportländer des Automobilwerkes
Ludwigsfelde verbunden. Nicht nur in Sibirien bei -50 °C am Ufer vom Baikalsee,
sondern u.a. auch im Urwald von Guayana, Kamerun und in der Wüste des Iraks
wurde getestet und später geschult. So entstand übrigens auch der Gedanke,
meinen P 3 als Ausführung "Sansibar" sandbeige zu lackieren. "Sansibar"
deshalb, weil es auch einmal einen Human-Hilfskonvoi als Sansibar-Hilfe mit gelben
P 3 und Sanitäts-Fahrzeugen auf W50-Basis, durch die DDR gespendet, gab.
Der Einsatz kam nicht zustande, die Fahrzeuge aber gab es in dieser Farbgebung.
Übrigens - das Chromteil auf dem linken Kotflügel meines P 3 ist eine
Sirene mit eigebautem Weitstrahler. Sie stammt von einem Schrott-Polizeiwagen
aus Georgtown/Guayana. Ich habe dort einmal einen Lehrgang für Servicekräfte
unserer Vertragswerkstätten durchgeführt, an dem auch ein Sergeant der
Polizeiwerkstatt teilnahm. Der brachte mir die Sirene zum Abschied mit. Zu dieser
Zeit wurde in der DDR das Martinshorn durch lautere Sirenen abgelöst. Die
Potsdamer Berufsfeuerwehr hatte noch keine Sirenen aber Rehbrücke, mein Wohnort,
nach meiner Rückkehr, schon!
Abb.
4 (links): 1967 bei Horstwalde - der erste 4x4-W50 mit Niederdruckreifen 16.00-20
ND 14 PR, Reifendruckregel- und Watanlage auf der noch unbefestigten Verwindungsbahn
bei der Werkserprobung. Das Gelände ist untrennbar mit der Entwicklung der
robusten Fahrzeuge verbunden und deshalb auch Ziel der NFZ-Treffen - getreu "Zurück
zu den Wurzeln!", hier im wahrsten Sinn des Wortes. Foto: Archiv G. Schlag |
Frau
Krause, welche Pläne haben Sie für künftige Nutzfahrzeugtreffen?
Alle
aus dem Vorbereitungsteam von 2011 sind sich einig, dass es unter der Regie der
Stadt Ludwigsfelde Folgetreffen geben soll. Das sind wir nach so oft geäußerter
Bitte der Teilnehmer vom ersten Treffen allen IFA W50/L60-Fans schuldig. Als Termin steht bereits
der 25.-26. Mai 2013 fest. Mit der zusätzlichen Nutzung der angrenzenden Ringstraße an unsere
Festwiese können wir 2013 viel mehr Fahrzeuge unterbringen und freuen uns auf die wachsende "IFA Fan-Familie".
Wir hoffen auch künftig mit Ihnen einen Partner zu haben und einen Teil des Programms im Gelände von Horstwalde anbieten zu können.
Wir beabsichtigen jeweils im ungeraden Jahr das Nutzfahrzeugtreffen
und im geraden Jahr das Motorroller-Treffen zu Gast zu haben. Die Motorroller
aus Ludwigsfelde haben eine mindestens ebenso breite wie treue Fangemeinde und
sind auch Teil unserer lebendigen Stadt- und Industriegeschichte.
Frau Krause, Herr Carow, Herr Primus, ich danke im Namen des Vorstandes des Fördervereins der Verkehrs-Versuchsanlage Horstwalde e.V. für das Gespräch. Ich darf dem Vorstand des Fördervereins und dem Geländeeigentümer dem Bund nicht vorgreifen, jedoch schaut das aus meiner Sicht nach einer langfristen Partnerschaft zwischen der Stadt Ludwigsfelde, dem Verein "Freunde der Industriegeschichte Ludwigsfelde" e.V. und dem Förderverein der Verkehrs-Versuchsanlage Horstwalde e.V. aus.
Nachtrag
der Redaktion vom 6. Januar 2012:
Im Verfahren der Endredaktion/Freigabe von
diesem Interview erreichte uns die Nachricht, dass die Geschäftsführung
der Firma IFA Service & Handelsges. mbH auch in Zukunft die Kosten für
die Produktion der Erinnerungsplaketten übernehmen will. Auch würde
man gerne an der Praxis festhalten, die Erinnerungsplaketten auch künftig
gemeinsam mit dem Bürgermeister der Stadt Ludwigsfelde jeder offiziell gemeldeten
Fahrzeugbesatzung zu überreichen, auf das es zu einer Tradition werde.
KU
2012-01-16